Interview mit Manuela Stier, Gründerin des Fördervereins für Kinder mit seltenen Krankheiten

Manuela Stier hat 2014 den Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten gegründet. Sie gibt Einblick in ihre Arbeit und das Thema Seltene Krankheiten.

Vielen Dank Manuela, dass wir heute dieses Gespräch zusammen führen dürfen. 

Was sind Seltene Krankheiten? 

In der Schweiz sind rund 630'000 Personen betroffen, davon 350'000 Kinder und Jugendliche. Weltweit gibt es schätzungsweise sechs- bis achttausend verschiedene seltene Krankheiten. Davon sind nur rund 5% erforscht. Aufgrund der Seltenheit gibt es für die meisten Betroffenen wahrscheinlich nie eine Lösung in Form einer Therapie. Deshalb geht es darum, diesen Menschen den Lebensweg zu erleichtern.

Bei vielen Betroffenen ist es nicht möglich, herauszufinden, welche Krankheit sie haben. Das viele vor grosse Probleme, wie beispielsweise bei der Antragstellung an die IV, welche sich für die Zusage von Versicherungsleistungen auf einen Katalog mit bekannten (und damit erforschten) Krankheiten abstützt.

Die Symptome Seltener Krankheiten sind sehr unterschiedlich und können auch innerhalb einer bestimmten Krankheit variieren, etwa je nach dem, zu welchem Zeitpunkt diese auftritt.  

 

Sind die meisten Seltenen Krankheiten nicht therapierter, weil sie nicht erforschbar sind?

Möglicherweise nicht im Sinne einer «klassischen» Therapie, nach dem Verständnis der Schulmedizin. Aber es gibt zukunftsweisende Therapieformen, wie es beispielsweise "First Step" aus Israel anwendet. In Zusammenarbeit mit den Eltern wird in einem Intensivkurs die Therapie mit dem kranken Kind erlernt und so schrittweise eine Verbesserung der Lebensweise, namentlich in Bezug auf Metrik, Ansprechbarkeit und Ausdrucksmöglichkeiten des Kindes bewirkt.

 

Wie hilft der Förderverein betroffenen Familien?

Der Förderverein fokussiert auf drei Ziele:

  • Finanzielle Unterstützung: 2022 wurden rund CHF 500'000 an Familien ausgezahlt.
  • Familien vernetzen: seit 2014 haben wir schon mehr als 8'900 Personen eingeladen.
  • Wissenstransfer: wir haben die Themenführerschaft in der Schweiz.

Wir unterstützen Familien finanziell, mit Therapien oder beispielsweise auch im Rahmen von Entlastung. Es können auch Hilfsmittel sein, welche die Lebensqualität der betroffenen Kinder verbessern, die jedoch nicht von Krankenkasse und IV gedeckt sind. So haben wir beispielsweise für ein Mädchen, welches wegen ihrer seltenen Krankheit blind ist, ein Spezial E-Tandem finanziert. 

Bei der Diagnose einer seltenen Krankheit "bricht für die Familien oft eine Welt zusammen"; sie müssen ihren Lebensweg umgestalten. Das unmittelbare Umfeld ist oft überfordert. Der Austausch mit anderen betroffenen Familien hilft nicht nur bei der Einordnung, sondern gibt auch Mut, nach der Diagnose Seltene Krankheit ein neues - anderes - Familienleben wiederzufinden.

Oft arbeiten wir mit Gönnern zusammen, um gemeinsam KMSK-Familien-Events durchzuführen. So konnten wir beispielsweise dank 760 Mitarbeitenden der Siemens Mobility Schweiz, einen Familien-Event in Interlaken organisieren. Sie verzichteten 2022 auf ihr Weihnachtsgeschenk und spendeten das Geld dem Förderverein.

 

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Wie kam es zur Gründung des Fördervereins?

Mit 50 entschied ich, dass ich mich für ein soziales Projekt engagieren möchte. So gründete ich am 20. Februar 2014 den gemeinnützigen Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten zusammen mit Prof. Dr. Thierry Carrel als Präsident. Mittlerweile sind 780 Familien in unserem kostenlosen Familien-Netzwerk. Alle Projekte, die wir angehen, werden auf deren Bedürfnisse ausgerichtet. Dabei ist es mir persönlich sehr wichtig, Projekte zu generiern, die eine nachhaltige Wirkung erzielen.

 

Welches ist Deine schönste Erinnerung der letzten zehn Jahre?

Enorm fasziniert hat mich Beni. Er hat das "Wolf-Hirschhorn-Syndrom" und war eines der ersten Kinder, die wir unterstützt haben. Er war nicht in der Lage, Augenkontakt herzustellen und den Eltern tat es weh, zu sehen, dass er nicht am Familienleben teilnehmen konnte. Wir haben daraufhin der Familie die Therapie mit "First Step" ermöglicht. Einige Jahre später war ich zufällig im Aatal beim Dinosauriermuseum und habe dort seine Familie angetroffen. Obwohl er sonst im Rollstuhl sitzt, hat sein Vater ihn auf die Beine gestellt und dann ist der Junge einige Schritte auf mich zugekommen. Dies war für mich «Gänsehaut pur». Genau deshalb engagiere ich mich für die betroffenen Familien, damit Dinge geschehen, die den Lebensweg der Kinder lebenswert machen.

 

Herzlichen Dank Manuela für das spannende und berührende Gespräch.

Das Interview führte Nadeschda Hoidn, Partnerin bei ZWEI Wealth

 

Weiterführende Informationen zum Förderverein für Kinder mit seltenen Krankheiten:

www.kmsk.ch

 

 

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