Spürbare Veränderungen auf dem Schweizer Immobilienmarkt

Gastbeitrag von Dr. Robert Weinert, Wüest Partner

In den vergangenen 1.5 Jahren hinterliess das sich wandelnde Wirtschaftsumfeld erkennbare Spuren auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Die Preisdynamik beim Wohneigentum liess nach, und indirekte Immobilienanlagen erlebten teils erhebliche Kurskorrekturen. Gleichzeitig änderte sich das Investitionsverhalten bei Direktanlagen, was zu rückläufigen Transaktionsvolumina und geringerer Zahlungsbereitschaft führte. Diese Entwicklungen zeigen die erwartete Marktreaktion auf die Zinswende. Die Zukunft dürfte, neben den bestehenden Herausforderungen, auch Stabilität und Potenzial bieten.

Wohneigentum: Stabile Entwicklung mit regionalen Unterschieden

Die Preise für Eigentumswohnungen steigen in der Schweiz weiter. Im 2. Quartal 2023 haben sie im Vergleich zum Vorjahresquartal um 3.4% zugenommen – und dies, obwohl die Preise bereits ein sehr hohes Niveau aufweisen und sich die Finanzierungskosten für Wohneigentum aufgrund der steigenden Hypothekarzinsen mehr als verdoppelt haben. Diese überraschende Entwicklung lässt sich mit mehreren Faktoren erklären: dem Markteintritt neuer und qualitativ hochwertiger Wohnungen, dem Einfluss der Zweitwohnungen, deren Preise aufgrund der hohen Nachfrage besonders stark gestiegen sind, sowie dem Mangel an Alternativen im Mietsegment.

 

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Bei den Einfamilienhäusern sieht die Lage etwas anders aus. Zwar sind aus gesamtschweizerischer Perspektive noch immer Preisanstiege zu verzeichnen (+1.2% gegenüber dem Vorjahresquartal). Die Nachfrage ist aber stark zurückgegangen (21% weniger Suchabos im Juni 2023 im Vergleich zum Juni 2022) und parallel hat das Angebot zugenommen. So verzeichnet derzeit rund ein Drittel des Landes (31 von 106 MS-Regionen) rückläufige Preise.
Für das Segment des Wohneigentums ist mittelfristig eine relativ stabile Entwicklung zu erwarten. Trotz des jüngsten Anstiegs bleibt das Angebot begrenzt. Die anhaltend rückläufigen Tendenzen bei der Neubautätigkeit sowie die finanzielle Stabilität der schweizerischen Haushalte, die nicht unter Druck stehen, ihre Immobilien infolge des Zinsanstiegs verkaufen zu müssen, stützen die Preise weiterhin. Nichtsdestotrotz dürften nach Jahren kontinuierlichen Preiswachstums vereinzelt regionale Preisadjustierungen auftreten.

 

Indirekte Immobilienanlagen: Gemischte Stimmung

Per Ende August 2023 wiesen die Schweizer Immobilienaktiengesellschaften einen durchschnittlichen Total Return von 4.5% auf (gemessen am WUPIX-A). Das Minus aus dem Vorjahr konnte damit zwar noch nicht vollständig ausgeglichen werden, jedoch ergibt sich über die letzten 10 Jahre hinweg eine durchschnittliche Performance von 6.6% pro Jahr. Geprägt war die diesjährige Entwicklung von einer verhältnismässig kleinen Volatilität der Tagesrenditen.

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Die Immobilienfonds verzeichneten im 2022 eine äusserst schlechte Performance (durchschnittliche Performance gemäss WUPIX-F: –15.5%). Und auch das laufende Jahr zeigt bis Ende August 2023 mit –2.3% eine negative Tendenz. Die Volatilität der Tageskurse liegt dabei weiterhin über dem langjährigen Durchschnitt und übertrifft deutlich die Werte während der Subprime-Krise von 2007 bis 2008.
Dass die Performance auch in diesem Jahr negativ ausfällt, trotz mittlerweile unterdurchschnittlichen Agios (Aufpreisen gegenüber dem geschätzten Nettoinventarwert) und vorteilhaften Cashflow-Aussichten, hat verschiedene Gründe: Erstens halten sich einige Pensionskassen und Versicherungen aufgrund der immer noch hohen Immobilienanteile in ihren Portfolios zurück. Zweitens sind Immobilienfonds durch ihre ausgeprägte Zinssensitivität den Zinsanstiegen besonders stark ausgesetzt. Und drittens sorgen anhaltende Unsicherheiten für Instabilität im Markt der Immobilienfonds. Ein zentrales Bedenken ist die Befürchtung umfangreicher Rücknahmeforderungen von Anlegern, besonders wenn der Nettoinventarwert (NAV) eines Fonds den Marktpreis übersteigt.
Obwohl zahlreiche Herausforderungen bestehen, verdichten sich die Anzeichen, dass sich Immobilienfonds in der Zukunft positiv entwickeln könnten. Der genaue Zeitpunkt dieser positiven Wendung bleibt jedoch ungewiss.

 

Direkte Immobilienanlagen: Deutlich weniger Handelsaktivitäten im 2023

 

Noch 2022, also zu Beginn der Zinswende, erlebte das Transaktionsvolumen einen unerwartet starken Anstieg. Dieser Schub entstand, als einige Investoren ihre Portfolios anpassten und nicht strategiekonforme Objekte abgaben. 2023 gingen die Handelsaktivitäten merklich zurück, sodass das Transaktionsvolumen nunmehr deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre liegt.
Im Kontext der Zinswende gaben die Preise für Wohnrenditeliegenschaften nach. Dennoch war der Rückgang im Verhältnis zu den durchschnittlichen jährlichen Preisanstiegen der letzten zehn Jahre moderat. Seit dem Preishöchststand im 4. Quartal 2022 sind die Preise für gehandelte Wohnliegenschaften um 4.4% gesunken (bei qualitätskonstanter Betrachtung). Geschäftsliegenschaften verzeichneten einen stärkeren Preisrückgang: Seit dem Höchstwert im 2. Quartal 2022 fielen die Preise um 8.0%.
In der zweiten Hälfte von 2022 und im Jahr 2023 stiegen die durchschnittlichen Nettoanfangsrenditen bei Transaktionen von Schweizer Renditeliegenschaften. Bei Wohnliegenschaften ergab sich während dieses Zeitraums eine Zunahme von 30 Basispunkten im Vergleich zu 2021. Ein Teil dieses Anstiegs lässt sich allerdings auf die geringere Qualität der gehandelten Objekte zurückführen. Geschäftsliegenschaften, insbesondere solche mit Büro- und Verkaufsflächen, verzeichneten einen Anstieg um 60 Basispunkte.
Man kann erwarten, dass die Anfangsrenditen im kommenden Jahr tendenziell ansteigen werden. Die erhöhten Zinsen beeinflussen die Zahlungsbereitschaft von Investorinnen und Investoren eher negativ. Obwohl in den nächsten Monaten keine drastischen Zinsanstiege erwartet werden, was für konstante Anfangsrenditen spräche, reagiert der Immobilienmarkt in der Regel zeitverzögert auf Zinsveränderungen. Daher sind die bereits erfolgten Zinsanstiege noch nicht vollständig eingepreist.
Hinzu kommt, dass die Mieten derzeit einen Aufwärtstrend zeigen, was ebenfalls auf steigende Anfangsrenditen hindeutet. Dies ist einerseits auf den Wohnungsmangel und andererseits auf die Fähigkeit zurückzuführen, inflationsbedingte Mehrkosten an die Mieterschaft weiterzureichen. Ergänzt wird dieses Bild vom hypothekarischen Referenzzinssatz: Dieser dürfte im Dezember 2023 erneut ansteigen. Daher sind im Verlauf von 2024 zusätzliche Mieterhöhungen zu erwarten. Ein weiterer Anstieg des Referenzzinssatzes zeichnet sich zudem für 2025 ab.
Nach einer Dekade, in der es kaum attraktive Anlagealternativen zum Immobilienmarkt gab, hat die Zinswende die Lage verändert. Diese neue Ausgangslage bedeutet aber nicht, dass der Immobilienmarkt selbst keine Anlagealternative mehr darstellt. Die auch während turbulenten Zeiten sehr stabile Entwicklung von Direktinvestments sowie die vielversprechenden Ertragsaussichten auf dem Nutzermarkt dürften dazu beitragen, dass Immobilieninvestitionen auch in den kommenden Jahren attraktiv bleiben.

 

 

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